Archiv der Kategorie: Psychoneuroimmunologie

Die (unbewusste) Assoziation des Placebo-Effekts mit Unwissenschaftlichkeit und Wertlosigkeit im Homöopathie-Streit ist irreführend

Was kommt Dir in den Sinn, wenn Du die Worte ‚Homöopathie‘ und ‚Placebo-Effekt‘ hörst?

Doch zunächst: Ein Placebo ist standardmäßig definiert als eine Verabreichungsform inaktiver Substanz ohne physikochemischen Wirkmechanismus, kann aber auch eine simulierte medizinische Behandlung sein. Herkömmlich wird der Placebo-Effekt deshalb als diejenige Reaktion verstanden, die vom Placebo ausgelöst wird. ‚Ausgelöst‘ sollte hier aber nicht kausal verstanden werden, sondern besser als ‚notwendig bedingend‘, wobei sich die Frage ergibt, durch welche nicht-physikochemischen Placebo-Aspekte die Placebo-Effekte hervorgebracht werden.

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Von „nur im Kopf“ zu „im Gehirn“: Placebo-Effekt und Neurozentrismus

Der eine oder andere mag vielleicht einmal davon ausgegangen sein, Placebo-Effekte [1] spielen sich nur ‚im Kopf‘ ab. Damit ist gemeint, dass etwas anstatt mit ‚realen‘ physiologischen Zuständen eher mit der ‚illusorischen‘ bzw. irrealen Welt des Geistes, d.h. mit Vorstellungen, Überzeugungen, hysterischer Einbildung oder bewusster Täuschung zu tun hat. Dass die veraltete Idee, Placebo-Effekte seien reine Geistesphänomene, wohl noch existiert, zeigt sich daran, dass heute immer wieder deren neurophysiologische Nachweisbarkeit und somit ‚Echtheit‘ betont wird (4.3). Den subjektiven Geist als etwas immaterielles, zum objektiven Körper distinktes zu verstehen, ist eine dualistische Vorstellung. Alles Geistige durch biologische Vorgänge und schließlich zur Illusion erklären zu wollen, ist dagegen eine Form von Materialismus. Nach dem Philosophen Hans Jonas stellt dies ideengeschichtlich sogar die logische Folge auf die dualistische Trennung der res cogitans und res extensa dar.

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Der Placebo-Effekt und Bedeutungsfaktoren in der Medizin

Kapitel 1.2 aus der Beitragsreihe Placebo & Placebo-Effekt (→ Gliederung)

Wenn die meisten Dinge innerhalb einer medizinischen Situation sowieso irgendeine Bedeutung für uns haben, sollte es dann nicht ständig zu ausgeprägten Placebo-Effekten kommen? Ist es dann nicht beinahe egal, nach welcher Methode man behandelt wird, solange der Doktor möglichst auffällig sein Stethoskop schwingt? Und gilt das für alle Menschen gleichermaßen? Kapitel 1.1 legte dar, dass ein Placebo-Effekt als die biologische und/oder subjektive Veränderung des Patienten-Zustands in Antwort auf bedeutungsvollen klinischen Kontext verstanden werden kann. Ein Placebo-Effekt bzw. ein solcher ‚Bedeutungseffekt‘ wird im Gegensatz zu einem rein pharmakologischen also durch diverse Signale und psychosoziale Faktoren ausgelöst. An ein paar ausgewählten Studienbeispielen soll in den folgenden Abschnitten nun etwas detaillierter gezeigt werden, wie stark sich die ‚Bedeutung‘ von menschlichen und nicht-menschlichen Placebo-Faktoren auf Patienten auswirkt.

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Frozen Shoulder: Psychosomatik und Annäherung an eine ‚holistische‘ Betrachtung

Die Frozen Shoulder (FS, Schultersteife) ist eine häufige Schulter-Funktionsstörung, die ca. 2-5 % der Gesamtbevölkerung meist im Alter zwischen 40 und 60 Jahren betrifft. Sie geht mit Schmerzen und fortschreitender limitierter Bewegungsfreiheit einher. Die primäre FS wird auch als idiopatisch („ohne bekannte Ursache“) bezeichnet, während die sekundäre FS auf einen bekannten physiologischen Auslöser zurückgeführt werden kann (z.B. Systemerkrankung oder Verletzung). Dieses relativ verbreitete Phänomen wird von Orthopäden, Rheumatologen als auch Psychiatern behandelt, ist dabei jedoch eine der am wenigsten verstandenen Schulter-Erkrankungen. [1] Forschungsergebnisse weisen zwar auf die Aktivierung von Myofibroblasten in FS hin, welche einen dysregulierter Inflammationsprozess initiieren, was an der erhöhten Sekretion proinflammatorischer Zytokine (z.B. IL-6) ersichtlich ist. [2] Doch auch wenn diese immunologischen Forschungsansätze sehr wichtig sind, helfen sie in Isolation nicht bei der Klärung der Frage, wie es zur unerklärten Schultersteife kommt und warum diese in vielen Fällen andauert.

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Das Subjekt in Medizin und Biologie im Zusammenhang mit psychosomatischer Stigmatisierung

1. Das Subjekt in der Medizin

Körperliche und psychische Erkrankungen mit jeweils physischen oder psychogenen Ursachen werden in der westlichen Humanmedizin nach klar separierten Domänen erforscht und behandelt. Der geteilte Patient [1] geht mit seinen Magenschmerzen zum Gastroenterologen, mit seinem Herzleiden zum Kardiologen, mit seinem Übergewicht zum Ernährungsberater, mit seinen Panikattacken zum Psychiater und mit seinen Eheproblemen zum Paartherapeuten.

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Sorgenkind Psychoneuroimmunologie – Der Weg zu einem neuen Bezugssystem

Eine Fachdisziplin mit ausgefallenem Namen erfreut sich zunehmend populärwissenschaftlicher Aufmerksamkeit, was leider weniger auf das akademische Milieu zutrifft: Es handelt sich um Psychoneuro(-endokrino)-immunologie (PNI), die Wechselwirkungen zwischen Immunsystem, Hormonsystem, Gehirn und Psyche untersucht [1][3]. Sie legt dabei einen Fokus auf Entzündungs- und immunassoziierte Krankheiten und identifiziert psychosoziale Risiko- und Schutzfaktoren, wie z.B. den Grad an emotionaler Unterstützung, den man durch das soziale Umfeld erfährt [4][7].

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