Schlagwort-Archive: Phänomenologie

Von „nur im Kopf“ zu „im Gehirn“: Placebo-Effekt und Neurozentrismus

Der eine oder andere mag vielleicht einmal davon ausgegangen sein, Placebo-Effekte [1] spielen sich nur ‚im Kopf‘ ab. Damit ist gemeint, dass etwas anstatt mit ‚realen‘ physiologischen Zuständen eher mit der ‚illusorischen‘ bzw. irrealen Welt des Geistes, d.h. mit Vorstellungen, Überzeugungen, hysterischer Einbildung oder bewusster Täuschung zu tun hat. Dass die veraltete Idee, Placebo-Effekte seien reine Geistesphänomene, wohl noch existiert, zeigt sich daran, dass heute immer wieder deren neurophysiologische Nachweisbarkeit und somit ‚Echtheit‘ betont wird (4.3). Den subjektiven Geist als etwas immaterielles, zum objektiven Körper distinktes zu verstehen, ist eine dualistische Vorstellung. Alles Geistige durch biologische Vorgänge und schließlich zur Illusion erklären zu wollen, ist dagegen eine Form von Materialismus. Nach dem Philosophen Hans Jonas stellt dies ideengeschichtlich sogar die logische Folge auf die dualistische Trennung der res cogitans und res extensa dar.

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Der oder die Placebo-Effekte? Ein Problem vorhandener Erklärungsansätze

Kapitel 3 aus der Beitragsreihe Placebo & Placebo-Effekt (→ Gliederung)

Der oder die Placebo-Effekte? Physiologische und/oder subjektive Reaktionen auf den nicht-physikochemisch wirkenden Anteil medizinischer Intervention werden von den meisten als ein und dasselbe Phänomen verstanden: Placebo-Effekt, z.B. das Verschwinden eines Ausschlags und Schmerzlinderung infolge einer vorgetäuschten Behandlung. Dadurch wird aber indirekt nach einem einzigen Grundmechanismus gefragt, der jeder Placebo-Antwort (der bessere Terminus ist meaning response, Bedeutungsantwort) [1] zugrunde liegen müsste. Gibt es denn einen solchen Mechanismus? Miller und Kaptchuk (2008) [2] bemängeln, dass die Verwendung des Singular Verwirrung stiftet, einer von vielen Faktoren im konzeptuellen Durcheinander um dieses Thema (siehe z.B. Kapitel 1.1).

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Das Subjekt in Medizin und Biologie im Zusammenhang mit psychosomatischer Stigmatisierung

1. Das Subjekt in der Medizin

Körperliche und psychische Erkrankungen mit jeweils physischen oder psychogenen Ursachen werden in der westlichen Humanmedizin nach klar separierten Domänen erforscht und behandelt. Der geteilte Patient [1] geht mit seinen Magenschmerzen zum Gastroenterologen, mit seinem Herzleiden zum Kardiologen, mit seinem Übergewicht zum Ernährungsberater, mit seinen Panikattacken zum Psychiater und mit seinen Eheproblemen zum Paartherapeuten.

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