Sorgenkind Psychoneuroimmunologie – Der Weg zu einem neuen Bezugssystem

Eine Fachdisziplin mit ausgefallenem Namen erfreut sich zunehmend populärwissenschaftlicher Aufmerksamkeit, was leider weniger auf das akademische Milieu zutrifft: Es handelt sich um Psychoneuro(-endokrino)-immunologie (PNI), die Wechselwirkungen zwischen Immunsystem, Hormonsystem, Gehirn und Psyche untersucht [1][3]. Sie legt dabei einen Fokus auf Entzündungs- und immunassoziierte Krankheiten und identifiziert psychosoziale Risiko- und Schutzfaktoren, wie z.B. den Grad an emotionaler Unterstützung, den man durch das soziale Umfeld erfährt [4][7].

Mit der Erforschung dessen, was uns gar nicht erst krank werden lässt, vertritt die PNI noch am ehesten das salutogenetische Prinzip von Antonovsky, das von der pathogenetisch-orientierten Medizin des deutschsprachigen Raums großteils vernachlässigt wird. Aber obwohl die schädliche Auswirkung von psychischem Stress und Trauma auf lebenswichtige immuno-neuroendokrine Systeme (u.a. Cortisol-Dynamik) umfangreich nachgewiesen ist [8][11], scheinen diese bedeutsamen Erkenntnisse in Immunologie- und Medizinerkreisen überraschenderweise kaum zur Kenntnis genommen zu werden und bestenfalls wenig Interesse hervorzurufen [12]. Es kann hier sogar von einer regelrechten Kluft zwischen unserer alltäglichen Intuition vom Zusammenwirken verschiedenster Faktoren bei Gesundheitsfragen (psychisch, sozio-kulturell und physiologisch) und der Art, wie wir Medizin und Forschung tatsächlich betreiben, die Rede sein.

Die PNI ist ein junger Forschungszweig der Psychosomatik. Mit letzterer wird von vielen eine wenig prestigevolle medizinische Abteilung assoziiert, an die man nach jahrelanger Odyssee erfolgloser Facharzt-Besuche als letztes Mittel abgeschoben wird, und wodurch man überspitzt formuliert das Gefühl vermittelt bekommt, in seinen körperlichen Leiden endgültig nicht ernst genommen zu werden. Im Fachjargon ist etwas psychosomatisch, wenn körperlichen Symptomen eine psychische Ursache zugeschrieben wird. Davon werden körperliche Beschwerden mit wiederholtem Ausbleiben von objektiven, organischen Befunden als somatoform abgegrenzt. Im Unterschied zur besagten Psychosomatischen Medizin, die seit jeher mit diversen Erklärungsmodellen und Therapieformen einhergeht, impliziert ‚Psychosomatik’ aber auch eine grundlegende, theoretische Anschauungsform bzgl. Gesundheit und Krankheit – kurz, auf den Menschen. Eine solch spezifische, philosophisch-anthropologische Ausgangsposition kann höchstens als ‚psychosomatischer Grundgedanke‘ bezeichnet werden und darf nicht mit der modernen Psychosomatik verwechselt werden, deren Situation zu Recht als Krise bezeichnet wurde [13]. Vom Fach selbst wird missverständlich impliziert, Psychisches hätte nur in wenigen kuriosen Randphänomenen Relevanz, da sich psychotherapeutisch orientierte Kliniker auf eine Kleingruppe von Symptomatiken wie Asthma und Darmgeschwüre sowie auf solche beschränken, die im klassischen Medizin-Modell nicht erklärbar sind und gesellschaftlich mit besonderer Skepsis behaftet sind [12], [14], [15]. Genau in der gegenteiligen philosophischen Leitidee einer ganzheitlichen, personenbezogenen Medizin [16] muss sich allerdings die PNI bewegen. Wie steht es nun um die theoretische Einbettung der PNI?

Zunächst einmal kann die medizinische Frage nach der Interaktion von Körper (Soma) und Geist (Psyche) nur in einem Zeitgeist entstehen, welcher beide als separate, ontologische Entitäten annimmt. Dies ist das vielfach kritisierte Erbgut des frühneuzeitlichen kartesianischen Dualismus. Analog zum Körper-Geist-Problem ist das zentrale Rätsel der Psychosomatischen Medizin: Körperliche Beschwerden persistieren, solange sich den seelischen Problemen des Patienten nicht zugewandt wird [17]. Die mysteriöse Übersetzung der persönlichen Bedeutung individueller (Beziehungs-)Ereignisse in etwas biologisch-körperliches wird jedoch offenkundig hinfällig, sobald einmal von der unreflektierten dualistischen Spaltung des Menschen in einen materiellen, subpersonalen Objekt-Körper und ein immaterielles Subjekt abgesehen würde [17]. Gerade die Terminologie psycho-somatisch impliziert jene unglückliche Dichotomie [18] und damit eine systemwissenschaftlich stark zu hinterfragende monolineare Kausalität. Dies endet zwangsläufig bei reduktionistischen Erklärungen. Letztendlich wird heute vermittelt, nur biologisch Messbares ist medizinisch relevant. Mental-Emotionales wird als ‚Stress‘, und zwar nicht als psycho-physische Ganzheit, sondern via Stress-Moleküle abgehandelt [19]. Im Extremfall hat sich das alles für die Beschreibung des nicht unerheblichen Ausmaßes ‚medizinisch unerklärlicher Symptome‘ [15], [20][22] und die Fälle ‚symbolischer Krankheit‘ [23], [24] als höchst unzureichend erwiesen. Genauso sind Psychiatrie und Psychotherapie tendenziell dualistisch [12], [16], [25] oder neigen zu Bio-Psychiatrie [26].

Die dominierende Grundtheorie der westlichen Humanmedizin ist das sog. Biomedizinische Paradigma, mit einem Primat physiologischer und molekularbiologischer Kausalerklärungen für Krankheiten als Fehlfunktionen. Diese sehr erfolgreiche Anschauung wurzelt im klassischen physikalisch-mechanistischen Weltbild und ist geprägt von naturwissenschaftlichem Realismus wie reduktivem Materialismus [27]. Eine häufige Defensive lautet, man sei sich der multifaktoriellen Einflüsse in Krankheit und Gesundheit durchaus bewusst und diese würden selbstverständlich in der modernen Medizin berücksichtigt. Der immunologisch-psychotherapeutische ‚MindBody‘-Arzt Brian Broom berichtet, dass viele ausgezeichnete und empathische Kliniker den physikochemisch-materialistischen Reduktionismus einer harten Biomedizin ablehnen und komplementäre Ansätze sogar begrüßen [16]. Menschen im Alltag haben ein intuitives Verständnis für die Person als ‚Ganzes‘, da ihre Lebensrealität nicht aus Atomen, Molekülen und chemischen Reaktionen besteht. Dies steht jedoch in starkem Kontrast zu dem von den Biowissenschaften gezeichneten Welt- und Menschenbild. Bei den meisten klinischen Problemstellungen, von denen chronische Erkrankungen den größten Anteil darstellen, werden Mediziner immer Abstand von ganzheitlichen Ansätzen nehmen und sich auf die vermeintlich besseren biomedizinischen Modelle verlassen [12], [28]. Ein gutes Beispiel ist vielleicht die Psychoonkologie, die als psychologische Betreuung von Krebspatienten etabliert ist, wobei der Zusammenhang von Traumata, Beziehungsstrukturen und existentiellen Lebensumständen des Patienten mit dem erstmaligen Auftreten der Krebserkrankung [29] in den Hauptzweigen der Medizin eine Grenzüberschreitung darstellt: Die Erforschung von Ursächlichkeit und die Behandlung von körperlichen Erkrankungen sind klar in der stofflichen Domäne zu suchen. In diesem Sinne ist die Verordnung von achtsamkeitsbasierten Interventionen (MBSR, [30]) wie Meditation und Qi Gong bereits ein Erfolg, welche die Stress-Reaktivität positiv modulieren und auf diese Weise großen Einfluss auf Immunvorgänge nehmen [8], [31]. Jenseits davon bleibt leider ein primär reduktionistisch-materialistischer Krankheitsbegriff bestehen, der mit der implizit dualistischen Spaltung in ein physiologisches, von der Person unabhängiges Krankheitsgeschehen und dessen sekundäre Auswirkung auf die Psyche des Patienten vergesellschaftet ist. Wenn sich allerdings jeder eingestehen kann, dass unsere emotionalen Erfahrungen in der Familie oder im Job Relevanz für die eigene Gesundheit haben – in anderen Worten, wenn niemand leugnet, dass psychische Zustände Einfluss auf biologisch-autonome Vorgänge nehmen können, z.B. wenn sich mit dem Gedanken an ein Bewerbungsgespräch der Herzschlag erhöht – dann darf dieser Allgemeinplatz auch nicht von der vorherrschenden medizinischen Theorie exkludiert werden. Genau das ist der Fall, wenn emotional bedeutsamer Lebenskontext in der Ätiologie ernstzunehmender Erkrankung kategorisch zensiert wird [12].

In einer anhaltenden Diskussion versucht sich das Biopsychosoziale Paradigma zu behaupten, indem es den Bedarf einer integrativen Theorie für das Gesundheitswesen offenlegt. Das Biopsychosoziale (BPS-) Modell wurde von den Pionieren Uexküll und Wesiak für eine systemtheoretisch-anthropologische Theorie der Heilkunde ausgearbeitet [28] und geht ursprünglich auf Engel [32] zurück. Nicht nur von jenen Vorreitern, sondern heute noch, wird die biomedizinische Modellvorstellung des Körpers als biochemische, mehr oder weniger komplexe Maschine [1], [33] kritisiert. Denn Heilung heißt nie allein Reparatur, sondern in erster Linie die Transformation eines individuellen Leidens. Doch bis dato gibt es kein allgemein akzeptiertes theoretisches Grundgerüst für eine holistische Medizin, nach dem sich Forschungszweige wie die PNI ausrichten könnten. Das BPS-Modell als bisher einziger Kandidat ist mit einigen Schwächen behaftet [34], [35]: Auf problematische Weise wird eine biologische, psychische und soziale Entität postuliert, ohne diese und deren Interaktionsmechanismen zu definieren [28], [35], [36]. Selbst wenn vereinzelt Modelle mehrstufiger Interaktionsprozesse existieren [37], [38], oder kausale und kurative psychosoziale Variablen in körperlichen Krankheitszuständen über gut fundierte Studiendesigns nachgewiesen werden, ist dies noch kein Beweis für die zugrundeliegende Annahme biopsychosozialer Kausalmechanismen [35].

In einem offenen Brief an die Herausgeber der 8. Auflage des Lehrbuchs Uexküll Psychosomatische Medizin moniert Prof. Dr. med. Ottmar Leiß: „auf dem Buch steht zwar noch Uexküll drauf, es ist aber (so gut wie) kein von Uexküll mehr drin und es steht noch theoretische Modelle drauf, es sind aber (so gut wie) keine mehr drin.“ [39] Dies bedeutet, dass heutzutage keine ernsthaften theoretischen Versuche mehr zur Überwindung des Körper-Geist-Dualismus für eine Integrative Medizin unternommen werden. Meist fallen psychosomatische Fragestellungen einem Bio-Reduktionismus zum Opfer, oder aber der Verwechslung mit gesellschaftlich kontroverser „Pop- und Esopsychosomatik“ [13].

Unter den skizzierten Umständen läuft die PNI Gefahr, mitunter aufgrund ihres intrinsisch dualistischen und monolinearen Namens, entgegen ihrer eigentlichen Motivation reduktionistisch zu sein [23]. Es ist zwar nicht per se problematisch, komplexe Zusammenhänge linear zu verstehen und mit methodischem Reduktionismus zu untersuchen; dies ist schließlich die Wesensart unseres Denkens [40]. Es darf nur nicht vergessen werden, dass jene Methodik eine Abstraktion ist, und keine ontologische These über die Natur. Soll mit der linearen Verknüpfung lediglich einer von Grund auf inkompatiblen Dichotomie entgangen werden, ohne die lebensinhärente netzwerkartige Zirkularität der verschiedenen Subsysteme zu berücksichtigen, verfehlt die PNI ihr Ziel der Integration, mit dem Resultat einer Unterordnung der psychosozialen Realität unter die biochemische [33]. Es ist zu betonen: Die PNI hat nicht den Sinn, psycho-physische Zusammenhänge nur dann zu akzeptieren, wenn diese anhand einfacher physiko-chemischer Kausalmechanismen nachweisbar sind [23]. Mit ihrer hauptsächlich nomothetischen [41] Ausrichtung unterliegt die PNI starken Limitationen: Durch einen Ausschluss des Subjektiven, die Vernachlassigung von Zeitverläufen und einem Fokus auf Datenmittelung kann sie die Komplexitat und Chronizität von Krebs, HIV/AIDS, Autoimmun- und kardiovaskulären Erkrankungen nicht valide erfassen und führte besonders in diesen Erkrankungsgebieten zu Inkonsistenzen [1], [42]. Der symbolische Bedeutungsaspekt einer Krankheit kann generell nicht von der PNI abgebildet werden, da kein fundamentales Person-Konzept enthalten ist [23]. Hier muss die Frage gestellt werden, was die PNI in einer theoriebezogenen ‘Heimatssuche’ sein will, und inwiefern das Fachgebiet in seiner prinzipiellen Auslegung überhaupt in anderen als den biomedizinischen Termen funktionieren kann. Aspekte des Subjektiven werden per definitionem niemals rein naturwissenschaftlich-objektivistisch beschreibbar sein. Dennoch braucht jede Philosophie holistischer Medizin eine Möglichkeit der empirischen Naturalisierung, um anerkannt zu werden. Ob die PNI dieser Rolle jemals gerecht werden kann?

Anhand vielversprechender idiographischer [41] Ansätze zeigt sicht nichtsdestotrotz, dass die bidirektionale Wechselwirkung zwischen psychischen und körperlichen Variablen untersucht werden kann, ohne die Geschichtlichkeit des Individuums als lebendige Zeitgestalt [43] zu vernachlässigen: Mit hoher ökologischer Validität [44] begegnen Schubert und andere den Herausforderungen der PNI in einem individualisierten Studienkonzept. In einer Serie integrativer Einzelfallstudien werden Probanden unter bestmöglicher Konservierung der Konditionen des alltäglichen Lebens („life as it is lived“) über einen Zeitraum intensiv bzgl. psychologischer und biochemischer Faktoren untersucht [45][53]. Trotz alledem besteht weiterhin die Notwendigkeit, schwierige Konstrukte wie ‘Bedeutung’ für die Forschungsarbeit einer ganzheitlichen Medizin zu konzeptualisieren und verschiedene Kausalitätsbegriffe zu differenzieren. Insbesondere jede Form mathematisch-modellbasierter Untersuchung von psycho-physischer Wechselwirkung im Sinne holistischer Methodik kommt um eine philosophische Diskussion nicht herum [54].

Die zahlreichen Forschungsdetails durch PNI u.ä. erfordern eine verständliche Einbettung. Es kann gefragt werden, “ob es ein einheitliches wissenschaftliches Fundament der Psychosomatik angesichts der überbordenden Komplexität ihres Erkenntnisstandes überhaupt geben kann.” [13] Uexküll und Wesiak geben eine Teilantwort, indem ein solches Theoriegebäude – entsprechend dem Menschen selbst – nie vollständig abgeschlossen sein wird [28]. Kirmayer und Gomez fordern in ihrem mehrstufigen biologisch-ökosozialen Standpunkt den Einbezug von soziokulturellem Kontext, Krankheitsnarrativen und gelebter Erfahrung des Patienten sowie die Entwicklung von Strategien, um Person-zentriertes, integratives Denken einer neuen Generation von Klinikern nahezubringen und diese Perspektive der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen [15].

Die Auffassung psychosomatischer Erkrankung unterliegt, wie vorliegend gezeigt wurde, einem kategorischen Fehler. Ein dualistisches bzw. rein molekularbiologisches Modell hat nichts mit dem psychosomatischen Urgedanken holistisch-anthropologischer Heilkunde zu tun, die sich forschungsnah und unter unvorbelastetem Namen entwickeln muss, ohne je den Anspruch zu erheben, Biomedizin vollständig zu ersetzen. Anstatt der einseitigen Fokussierung von subpersonalen physiko-chemischen Mechanismen braucht es für die Ganzheit der Person vielmehr ein strukturanalytisches Verständnis. Der theoriebasierte Einbezug von Subjektivität in die Medizin findet sich potentiell in der Phänomenologie [26], während etwa Enaktive Ansätze [55] eine Grundlage für die systemische Integration der verschiedenen Dimensionen (physiologisch, existentiell, erfahrungsbezogen, soziokulturell) [36] bieten können. Bis auf vereinzelte Vermerke zur Relevanz für psychosomatische Problemstellungen wurde nach aktuellem Kenntnisstand noch keine konkrete Verbindung von Enaktivismus zur PNI u.ä. ausgearbeitet. Falls dies in Zukunft geschehen sollte, müssten in einem überdisziplinären Ansatz Begriffe wie „Krankheit“, „Immunsystem“ oder „Psyche“ anders definiert sein, als es in den aktuell vorherrschenden Bezugssystemen der Fall ist. Dabei ist eines sicher: Die Vereinigung von den Ergebnissen aus der PNI mit adäquaten Konzepten aus Philosophie, theoretischer Biologie und den Kognitionswissenschaften ist für eine ganzheitliche Medizinforschung lange hinfällig.

Hierzu passt: Das Subjekt in Medizin und Biologie im Zusammenhang mit psychosomatischer Stigmatisierung.

[1] C. Schubert et al., Hrsg. Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie, Schattauer, 2015

[2] R. Dantzer & K. W. Kelley „Twenty years of research on cytokine-induced sickness behavior“, Brain. Behav. Immun., 21:2, S. 153–160, 2007

[3] R. Ader & N. Cohen „Behaviorally Conditioned Immunosuppression“, Psychosom. Med., 37:4, S. 333–340, 1975

[4] R. Glaser et al. „Stress-related immune suppression: Health implications“, Brain. Behav. Immun., 1:1, S. 7–20, 1987

[5] J. M. Turner-Cobb et al. „Social Support and Salivary Cortisol in Women With Metastatic Breast Cancer“, Psychosom. Med., 62:3, S. 337, 2000

[6] L. M. Jaremka et al. „Loneliness Promotes Inflammation During Acute Stress“, Psychol. Sci., 24:7, S. 1089–1097, 2013

[7] D. R. Jutagir et al. „Social well-being is associated with less pro-inflammatory and pro-metastatic leukocyte gene expression in women after surgery for breast cancer“, Breast Cancer Res. Treat., 165:1, S. 169–180, 2017

[8] J. K. Kiecolt-Glaser et al. „Stress Reactivity: What Pushes Us Higher, Faster, and Longer—and Why It Matters“, Curr. Dir. Psychol. Sci., 29:5, S. 492–498, 2020

[9] J. K. Kiecolt-Glaser et al. „Emotions, morbidity, and mortality: new perspectives from psychoneuroimmunology“, Annu. Rev. Psychol., 53, S. 83–107, 2002

[10] C. Heim et al. „The potential role of hypocortisolism in the pathophysiology of stress-related bodily disorders“, Psychoneuroendocrinology, 25:1, S. 1–35, 2000

[11] S. Cohen et al. „Chronic stress, glucocorticoid receptor resistance, inflammation, and disease risk“, Proc. Natl. Acad. Sci., 109:16, S. 5995–5999, 2012

[12] Vgl. B. Broom „The Practice of Whole Person-Centred Healthcare“, in Rethinking Causality, Complexity and Evidence for the Unique Patient, Springer International Publishing, S. 215–226, 2020

[13] Gründe für die Krise sind z.T. globalen Umständen wie dem Zeitgeist einer leistungsorientierten Gesellschaft zuzuschreiben, also spezifischen finanziellen, systemischen und kulturellen Strukturen, aber auch einer gewissen „Theorieflucht“ mit einem Mangel an konzeptueller Klarheit. Schlimmstenfalls wird Psychosomatik von Unwissenden mit nicht-akademischer Selbsthilfe-Literatur (‚Esoterik‘) assoziiert, was ihrem Ruf nur noch mehr schadet. Siehe: T. Bastian & D. Hansch „Die Krise der Psychosomatik“, 2005 (http://www.psychosynergetik.de/dokumente/LFIaktuell_Krise.pdf, 28.11.2021)

[14] Zitiert wird Florin (1993, S. 38) in: J. Kriz Systemtheorie für Psychotherapeuten, Psychologen und Mediziner: eine Einführung, Facultas-Universitätsverlag, 1999, S. 172

[15] L. J. Kirmayer & A. Gómez-Carrillo „Agency, embodiment and enactment in psychosomatic theory and practice“, Med. Humanit., 45:2, S. 169–182, 2019

[16] Es wurde auf das Problem der Nomenklatur einer solchen Medizin hingewiesen, wonach verschiedene, gleichermaßen unzureichende und vorbelastete Termini kursieren (‚holistisch‘, ‚integrativ‘, ‚biopsychsozial‘, ‚psychosomatisch‘ etc.). Siehe: B. Broom „Naming what we do“, Eur. J. Pers. Cent. Healthc., 4:2, S. 265–270, 2016

[17] J. Bullington The Expression of the Psychosomatic Body from a Phenomenological Perspective. Springer Netherlands, 2013, S. 1ff (für empirische Studienbelege zur Zunahme und Prävalenz psychosomatischer Symptomatik insbesondere bei Kindern und berufstätigen Frauen, siehe S. 14)

[18] Bereits Alexander wies 1939 darauf hin: F. Alexander “Psychological aspects of medicine”, Psychos Med., 1, S. 7–18, 1939

[19] Genau wie die gescheiterte Psychsomatik-Tradition (z.B. Alexander, Freud) konnte auch die Stress-Physiologie (Selye, Cannon) keine überzeugende Erklärung für das psychsomatische Problem bieten. Und auch wenn die Dynamik und Nichtlinearität des Stresssystems mittlerweile berücksichtigt werden, steht trotzdem die Physiologisierung von ‚Stress‘ anstelle eines subjektiven Bedeutungsbezugs im Vordergrund. Siehe Allostase-Konzept: B. S. McEwen „Stress, adaptation, and disease: Allostasis and allostatic load“, Ann. N. Y. Acad. Sci., 840:1, S. 33-44, 1998

[20] K. Kroenke „Symptoms in medical patients: An untended field“, Am. J. Med., 92:1, Supplement 1, S. S3–S6, 1992

[21] L. J. Kirmayer et al. „Explaining Medically Unexplained Symptoms“, Can. J. Psychiatry, 49:10, S. 663–672, 2004

[22] C. Nimnuan et al. „Medically unexplained symptoms: An epidemiological study in seven specialities“, J. Psychosom. Res., 51:1, S. 361–367, 2001

[23] B. Broom et al. „Symbolic Diseases and ‚Mindbody‘ Co-emergence. A Challenge for Psychoneuroimmunology“, EXPLORE, 8:1, S. 16–25, 2012

[24] B. Broom Meaning-full disease: how personal experience and meanings cause and maintain physical illness. Routledge, 2018

[25] M. J. Miresco & L. J. Kirmayer „The Persistence of Mind-Brain Dualism in Psychiatric Reasoning About Clinical Scenarios“, Am. J. Psychiatry, 163:5, S. 913–918, 2006

[26] H. Carel Phenomenology of illness, Oxford University Press, 2016, S. 18

[27] Für eine Klärung des Reduktionismus-Begriffs, siehe: D. Frank Der Topos der Information in den Lebenswissenschaften: Eine Studie am Beispiel der Biosemiotik und der Synthetischen Biologie. Springer Fachmedien Wiesbaden, 2019, S. 99ff

[28] T. von Uexküll & W. Wesiack Theorie der Humanmedizin, 3. Aufl., Urban & Fischer Verlag, 1998 (Ein Vorzug des Biomedizinischen Modells für die klinische Diagnose mag der Schutz vor der Identifikation mit den emotionalen Problemen des Kranken sein, S. 141; das Biopsychosoziale Modell ohne Definition der Interaktionsmechanismen leistet kaum mehr als ein „Büro-Ordner“, S. 132)

[29] M. Özkan et al. „Roles of Biopsychosocial Factors in the Development of Breast Cancer“, Eur. J. Breast Health, 13:4, S. 206–212, 2017

[30] P. Grossman et al. „Mindfulness-based stress reduction and health benefits: A meta-analysis“, J. Psychosom. Res., 57:1, S. 35–43, 2004

[31] C. Schubert et al. „Dynamic Effects of CAM Techniques on Inflammation and Emotional States: An Integrative Single-Case Study on a Breast Cancer Survivor“, Integr. Cancer Ther., 20, 2021 (CAM: complementary and alternative medicine; z.B. Tai Chi, Musik, Physiotherapie, energetisches Heilen etc.)

[32] G. L. Engel „The need for a new medical model: a challenge for biomedicine“, Science, 196:4286, S. 129–136, 1977

[33] L. Onnis „Psychosomatic medicine: Toward a new epistemology“, Fam. Syst. Med., 11:2, S. 137–148, 1993

[34] S. N. Ghaemi „The rise and fall of the biopsychosocial model“, Br. J. Psychiatry, 195:1, S. 3–4, 2009

[35] D. Bolton & G. Gillett The Biopsychosocial Model of Health and Disease: New Philosophical and Scientific Developments. Springer International Publishing, 2019, vgl. S. 8, S. 22-26

[36] S. de Haan „Bio-psycho-social interaction: an enactive perspective“, Int. Rev. Psychiatry, S. 1–7, 2020. Anstelle linearer Kausalität zwischen den getrennten Entitäten Biologie, Psyche und Sozialem ist durch die systemtheoretisch-dynamische Konzeption von organisatorischer Kausalität zwischen lokalen und globalen Prozessen die Rede. Es wird ein Person-Welt-System befürwortet, in welchem physiologische als auch Prozesse der Erfahrung als fundamental abhängig voneinander sowie von den Interaktionen mit der Umwelt erachtet werden. Die Art, wie De Haan das BPS-Modell aus enaktiver Sichtweise kritisiert und den neuen Ansatz für die Psychiatrie diskutiert, ist sehr ähnlich womöglich auch auf Psychosomatik und PNI übertragbar.

[37] B. N. Uchino et al. „Social psychological processes linking personality to physical health: A multilevel analysis with emphasis on hostility and optimism“, in Personality and social behavior, S. 251–283, Psychology Press, 2008

[38] D. Cicchetti „Resilience under conditions of extreme stress: a multilevel perspective“, World Psychiatry, 9:3, S. 145–154, 2010

[39] O. Leiß, offener Brief, 2017 [https://uexkuell-akademie.de/wp-content/uploads/2017/01/Offener-Brief-an-die-Herausgeber_24.1.17..pdf, 28.11.2021]

[40] Zur Kausalität als Denkmuster, vgl. etwa Kants Kritik der reinen Vernunft (S. B232 – B255). Zudem kann es das Zeichen einer kognitiven Abwehrhaltung sein, wenn bei dem Versuch, ‘zirkulär’ zu denken zunächst das Henne-Ei-Problem in den Sinn kommt. Beispielsweise beeinflusst chronischer Stress das immuno-neuroendokrine System negativ, gleichzeitig aber bestimmt die strukturelle Disposition wiederum das Stress-Erleben. Die Frage, ‘was zuerst da war’, scheint bzgl. der Suche nach mechanistischen Hauptursachen chronisch-komplexer Erkrankungen falsch gestellt. Für ein ähnliches Problem in der Psychotherapie-Forschung, siehe: J. Colapinto „Beyond technique: Teaching how to think structurally”, J. Strat. Sys. Ther., 2:2, S. 12–21, 1983

[41] Windelbands Unterscheidung von nomothetisch (erklärend, naturwissenschaftlich) und idiographisch (verstehend, geisteswissenschaftlich) bezieht sich auf Diltheys Gegenüberstellung von Erklären und Verstehen als Typen von Wissenschaftlichkeit. Nach Windelband kann ein Studienobjekt, z.B. Organismen, sowohl nomothetisch als auch idiographisch erforscht werden. Siehe Erklären-Verstehen-Kontroverse, in [27].

[42] C. Schubert et al. „Psychoneuroimmunologie“, in Uexküll, Psychosomatische Medizin, S. 65–75, 8. Aufl., Elsevier, 2017

[43] H. Jonas Das Prinzip Leben, 1. Aufl. Suhrkamp, 1977

[44] L. J. P. van Doornen & J. R. Turner „The Ecological Validity of Laboratory Stress Testing“, in Individual Differences in Cardiovascular Response to Stress, S. 63–83, Springer US, 1992

[45] In den Fallstudien wird qualitative Methodik durch psychologische Interviews und Fragebögen mit statistischer Zeitreihen-(Kreuzkorrelations-)Analyse kombiniert. Generalisierung bzw. externe Validität wird in jenem Design durch Replikation erzielt. J. Haberkorn et al. „Day-to-day cause–effect relations between cellular immune activity, fatigue and mood in a patient with prior breast cancer and current cancer-related fatigue and depression“, Psychoneuroendocrinology, 38:10, S. 2366–2372, 2013

[46] C. Schubert & C. Hagen „Bidirectional Cause–Effect Relationship Between Urinary Interleukin-6 and Mood, Irritation, and Mental Activity in a Breast Cancer Survivor“, Front. Neurosci., 12, S. 848, 2018

[47] C. Schubert et al. „Stress System Dynamics during “Life As It Is Lived”: An Integrative Single-Case Study on a Healthy Woman“, PLoS One, 7:3, 2012

[48] C. Schubert et al. „Stressful Life Events and Skin Diseases: An Additional Perspective from Research on Psychosomatic Dynamics in Systemic Lupus erythematosus“, Psychother. Psychosom., 71:2, S. 123–124, 2002

[49] M. Singer et al. „Subjective Positive and Negative Sleep Variables Differentially Affect Cellular Immune Activity in a Breast Cancer Survivor: A Time-series Analysis Approach“, Front. Neurol., 8, S. 693, 2018

[50] C. Schubert et al. „Daily Psychosocial Stressors Interfere With the Dynamics of Urine Neopterin in a Patient With Systemic Lupus Erythematosus: An Integrative Single-Case Study“, Psychosom. Med., 61:6, S. 876, 1999

[51] C. Schubert et al. „Daily psychosocial stressors and cyclic response patterns in urine cortisol and neopterin in a patient with systemic lupus erythematosus“, Psychoneuroendocrinology, 28:3, S. 459–473, 2003

[52] C. Schubert et al. „Multi-faceted effects of positive incidents on stress system functioning in a patient with systemic lupus erythematosus“, Stress Health, 22:4, S. 215–227, 2006

[53] C. Schubert „Psychoneuroimmunologische Forschung im Kontext biochemischer Erkenntnisfortschritte und ihre paradigmatischen Grenzen“, Z. Für Psychosom. Med. Psychoanal., 44:1, S. 1–20, 1998

[54] Dies dürfte v.a. für die Synergetik von Relevanz sein, einem aus der Physik stammenden mathematischen Prinzip, das bisher in der Psychologie, aber nicht speziell für Psychosomatik, angewandt wurde. Siehe etwa: H. Haken & G. Schiepek Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation verstehen und gestalten, Hogrefe, 2005

[55] F. J. Varela et al. The Embodied Mind, revised edition: Cognitive Science and Human Experience. MIT Press, 2017

___________________________________________________________________________Für ein Anschauungsbeispiel, wie Studienergebnisse bzgl. Angststörungen als einem relevanten Risikofaktor für Infektionskrankheiten als ‚unseriös‘ abgetan werden und wie darauf mit Hohn reagiert wird, siehe:

https://www.youtube.com/watch?v=tJTeT0QkSow&t=1s

Was in der Psychoneuroimmunologie seit Langem erforscht wird, scheint heutzutage bei einigen Menschen nocht nicht einmal ein minimales Level an Verständnis und Akzeptanz erreicht zu haben. Dies mag mit einer unreflektierten, dogmatischen, pseudo-materialistischen Einstellung zusammenhängen.

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